Jan G. Buechting wurde am 11. Februar 1942 in Halle an der Saale geboren.

Vom Zeichnen und Malen war er sehr früh begeistert, sein erstes erhaltenes ”Werk”, eine Sonne, stammt von 1945. Der Einfluss der Mutter mag eine Rolle gespielt haben, denn die verdiente sich in der harten Nachkriegszeit ein Zubrot mit Illustrationen für Kinderbücher und Grußkarten. Mit sechzehn gewann Buechting in einem Wettbewerb, der von dem General Motors Konzern unterstützt wurde, ein Stipendium. Der Preis hatte folgenden Haken: Die vier Semester Ausbildung waren gebunden an die damals beste Hochschule für Automobildesign, das Art Center College in Los Angeles. Wie sollte er dort hinkommen, sich seinen Lebensunterhalt und die Kosten für das  Studium verdienen? Außerdem wollte Buechting etwas von der Welt sehen, und dieser Wunsch würde noch schwieriger mit der Ausbildung und der notwendigen Praxis danach zu vereinbaren sein. Also entschied er sich für einen Umweg: Er trampte durch Nordafrika, den Nahen Osten, durch Vorderasien, Indien, Thailand und Japan. Wenn immer sich ihm ein großes Wasser in den Weg stellte, arbeitete er auf Frachtern als Schiffsjunge, Hilfskoch oder Heizer, für den Preis der freien Passage. Japan faszinierte ihn, er blieb sieben Monate, verbrachte davon die meiste Zeit in einem kleinen Zen-Kloster im nördlichen Honshu, weitab von großen Städten. Dort vermittelte man ihm behutsam Einsicht in die Grundlagen japanischer Ästhetik, erlaubte ihm, eine Reihe von handwerklichen und künstlerischen Techniken zu beobachten und selbst zu praktizieren. Er verinnerlichte die Konzepte von “perfekter Imperfektion” und kontrollierter Lässigkeit. Diese Gedankenkomplexe fundierten und förderten in ihm das Verständnis für kompromisslose Handwerksqualität und den Begriff der Angemessenheit bei späteren Designlösungen. Seine Kunst gewann dadurch zusätzliche Überraschungs- effekte und prekäre Balance-Szenarien.

Eine derartige Konditionierung erwies sich als wertvoll während des Design-Studiums am Art Center. Nachts mußte Buechting ganz konventionellem Broterwerb in einer Druckerei nachgehen. Aber auch in dieser Tätigkeit versuchte er sich so schnell wie möglich professionelles Können in allen Phasen der Druckproduktion anzueignen. Nach seinem Diplom “cum laude” entschied er umgehend, dass ein Job bei einer der “Großen Drei” in Detroit wahrscheinlich nicht seinem Naturell und kreativen Neigungen entsprechen würde: Zusammen mit zwei Kommilitonen gründete er ein kleines Designbüro in Orange, etwa fünfzig Kilometer südlich von Los Angeles. Das Büro wuchs und gedieh. Nach zwei Jahren jedoch machten es die sehr unterschiedlichen Vorstellungen der Geschäftsgründer über die weitere Entwicklung des Shops ratsam, unterschiedliche Wege zu gehen. Er verließ die Gruppe und legte kurz darauf das Fundament für eine Werbeagentur, “Basso/Buechting”, genau gegenüber vom Haupteingang zum Mac Arthur Flughafen in Irvine, Kalifornien. Diese praktische Nähe ermöglichte das “andere Leben” von Buechting. Jeden Freitagabend entflog er im buchstäblichen Sinn nach San Francisco, wo er sich ein gut ausgeruestetes Studio eingerichtet hatte. Dort konnte er den Projekten nachgehen, die völlig frei von den Ansprüchen und Erwartungen seiner Werbe-Klienten waren.

Im Jahr 1980 startete Buechting eine weitere Firma in Boston, Massachusetts, zunächst als Ableger seiner Agentur in Kalifornien. Später wurde sie unabhängig betrieben. Der kommerzielle Schwerpunkt lag auf Marketing und Markengestaltung. In seinem privaten Werk konnte Buechting seine Vorstellungen von asiatisch inspirierter Organisation von Fläche und Raum umsetzen, er konnte mit bemerkenswerter technischer Präzision komplexe Linien  und Kurven nutzen, um magische Formen zu schaffen. Wenn figurative Elemente in den Kreationen Eingang fanden, dann waren das meistens Elemente aus automotiver Architektur oder vom menschlichen Körper. Diese Komponenten wurden beigesteuert durch eigene Zeichnung, Fotografie oder gefundene Objekte. Aufnahme und Manipulation vieler Images besorgte der Künstler passend zum Sujet durch eine alte Reprokamera. Wenn dann die Zutaten für ein Werk sorgfältig vorbereitet worden waren, wurde mit diesem strengen und begrenzten Vokabular jeweils zwei oder drei dimensionale Objekte konstruiert, maskiert, gemalt, gesprüht, getönt, collagiert. gespachtelt, gesandet und schließlich finissiert, das Resultat oftmals improvisierend erscheinende Leichtigkeit oder Verfall vortäuschend, aber in Wirklichkeit mit strenger Achtung auf ueberzeugende Handwerksqualität ausgeführt.

An der Hartford Art School erwarb Buechting den Master of Fine Arts (MFA) in seinen eigenen Worten ”aus Spaß und um mal wieder unter verrückt denkende Menschen zu kommen”. Da er zu dem Zeitpunkt schon einen erheblichen professionellen Vorlauf hatte, erkannten seine Mentoren dies schnell als Vorteil für die Universität und machten aktive Lehrtätigkeit mit Studenten der letzten Semester zu einem Teil seines Masterprogramms.
Dafür wurde es besonders auf ihn zugeschnitten, und dieser Mix von Kunst, Pädagogik und Handwerk, sollte sich bald als nützliche Vorbereitung für Buechtings späteres philanthropisches Engagement herausstellen. Mit einem weiteren radikalen Bruch schloss er nämlich seine Agentur in Boston und verlegte seinen Standort auf die U.S. Jungferninseln in die Karibik. Geleitet von dem Bedürfnis, etwas von den Chancen, die ihm Amerika gewährt hatte, an die Gesellschaft zurück zu geben, vermittelte er an Jugendliche, für die es dort so gut wie keine praktischen Ausbildungschancen gab, in seinem Studio vier Jahre lang praktisches Wissen und handwerkliche Techniken in angewandter Grafik. “Ein Grundkurs im professionellen Überleben” nannte er sein selbst entworfenes Programm, parallel zu seiner eigenen Kunst.

Eine ähnliche Motivation zog Buechting nach Ostdeutschland, nachdem er viel über die Schwierigkeiten der Nachwende-Zeit gelesen hatte. Besonders kulturelle Institutionen, die sich sehr unvorbereitet plötzlich an eine Marktwirtschaft anpassen mussten, konnten professionelle Unterstützung gebrauchen. Um eine glaubwüerdige Basis zu haben, gründete er eine "Agentur für Kultur- und Wirtschaftsförderung". Von dieser Plattform aus arbeite er drei Jahre am Bauhaus-Dessau (jetzt Stiftung und aufgenommen in die Liste des UNESCO- Weltkulturerbes) als Marketing Berater, nebenbei aber noch für eine Reihe von Theater-und Ballett-Gruppen sowie kommunalen Entwicklungsgesellschaften. Seine Agentur organisierte zahlreiche kulturelle Foren und Events und erledigte die dazugehörige Presse- und Publikationsarbeit. Eine Serie von Benefizkonzerten unterstützte drei bulgarische Waisenhäuser mit dringend notwendigen Medikamenten, einem Fahrzeug für den Transport von behinderten Jugendlichen und periodischen Containerladungen, diese gefüllt mit Ausrüstungen für Kinder-Krankenstationen und –Krippen aus ähnlichen Institutionen, welche in den neuen Bundesländern zu der Zeit aufgelöst wurden.



Schon während der Arbeit am Bauhaus kristallisierte sich bald das “kreative Recycling” von verlassenen oder nicht mehr traditionell genutzten Industriekomplexen als dringende Aufgabe für die Agentur heraus. Eine dieser Anlagen, einst eine der größten Brauereien Deutschlands, befand sich in Dessau, nicht weit von Buechtings Arbeitsplatz am Bauhaus. Sie sollte eigentlich abgerissen werden. Ein paar engagierte Initiatoren, zu denen Buechting gehörte, sahen nicht nur Schönheit in der Architektur, die bis 1869 zurückreichte, sondern auch Potential fuer die Wiederbelebung eines ganzen Stadtquartiers. Sie gründeten eine rechtlich anerkannte Körperschaft zum Schutz dieses immensen Industriedenkmals. Nach zwei Jahren anstrengender Verhandlungen gingen - zu einem symbolischen Kaufpreis - über 30.000 qm nutzbare und umbaute Fläche an den dafür gegründeten Verein. Das “Brauhaus-Dessau” wurde damit zu einem der größten und langfristigsten Sanierungsprojekte in dieser einst florierenden Industriestadt südlich von Berlin. Heute, nach über zehn Jahren von zahllosen Maßnahmen und Sammelaktionen, sind über fünf Millionen Euro in dieses Vorhaben geflossen, und mehr als die Hälfte der Flächen sind saniert. Unter den aufwendig rekonstruierten Dächern des “Brauhaus” gedeihen die verschiedensten Aktivitäten. Zwei Archive und Restaurationswerkstätten von Institutionen, die vom UNESCO-Register anerkannt wurden, sind für ihre langfristigen Aufgaben hergerichtet worden, Das "Anhaltische Theater" hat sein Asservaten- und Kulissenlager dort, die höchste Kletteranlage im Bundesland Sachsen-Anhalt hat ihre Adresse in der Brauerei, und - vielleicht am wichtigsten-, ein Gründerzentrum für kreative Berufe fand in einem Seitentrakt eine sichere Heimat. Das ehemalige Kesselhaus ist nun ein Studio-Theater für bis zu 800 Zuschauer, in dem von Shakespeare bis Zen-Trommlern ein breites Spektrum seh- und hörbarer Spektakel angeboten werden; daneben schließen sich Ausstellungsräume mit Gastronomie und Proberäume für Musiker aller Couleur an. Als nächste Projekte sollen eine überdachte Skater-Arena mit Wärmeaustauschdach und eine enorme Speicher-Zisterne im Keller in Angriff genommen werden. Letztere soll nicht nur Regenwasser auffangen, sondern das erwärmte Wasser des Daches vorhalten und damit helfen, das Brauhaus ökologisch sinnvoll und zu jeder Jahreszeit angenehm zu temperieren und zudem warmes Brauchwasser zu spenden.  Übrigens hat Buechting in diesem Komplex nicht als stellvertretender Vorstand, sondern als ganz normaler Mieter sein europäisches Atelier angesiedelt.
                           

Der Name des Gesamtprojektes als Parallele zu dem nahen Bauhaus-Dessau ist Programm: Zu seiner Blütezeit, also in den zwanziger Jahren, gelang es dessen charismatischen Direktoren unglaublich vielfältiges, kreatives Talent unter einem Dach zu vereinen und zu binden. Die Voraussetzungen und Anforderungen der Gegenwart sind deutlich anders gelagert; dennoch hoffen die Mitarbeiter an diesem Projekt, zu dessen pro bono Mitstreitern Buechting gehört, einen neuen Ideen-Reaktor zu schaffen, in dem sich eine starke kritische Masse für neue, ungewöhnliche Leistungen aufbauen kann, diesmal jedoch im freien Spiel der Kräfte und der gegenseitigen Kooperation.
                         

Buechting plant im Brauhaus-Dessau Räumlichkeiten zu schaffen, die seine Sammlung von eigenen Werken und denen, die er von befreundeten Künstlern gesammelt hat, sowie sein Archiv und eine Bibliothek permanent aufnehmen können. Wenn die weiteren Vorstellungen der jetzt aktiven Ideenträger sich realisieren lassen, wird der Gesamtkomplex in absehbarer Zeit zu einer Stiftung umgewidmet werden, damit über diese juristische Organisationsform Zuwendungen und Legate problemlos eingebracht werden können. Jan Buechting pendelt gegenwärtig zwischen seinen Ateliers in Brookline (Massachusetts) und Dessau. Er versucht sich so vieler Ablenkungen wie möglich (außer seiner Familie und, natürlich, dem Brauhaus) zu entledigen, damit er zukünftig wieder seine Zeit vorrangig dem ganz persönlichen, gestalterischen und künstlerischen Schaffen widmen kann.

Dr. Pamela Cabell-Whiting